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Wieso Schulöffnungen? "Die Schule ist eine TÄGLICHE Großveranstaltung!"

Bild: Ambros Gruber
Bild: Ambros Gruber

Wieso werden Schulen geöffnet aber Großveranstaltungen verboten?, fragt der BMHS-Lehrer Ambros Gruber und kritisiert, dass Schulen in Österreich  als Kinderverwahranstalten missbraucht werden.

 

Ein Verwandter und Freund von mir hat mich als Lehrer um eine "Expertise" gebeten. Ich lasse euch hier mitlesen.

 

Ich halte mich nicht für einen Experten, sondern für einen ganz normalen Lehrer, trotzdem werde ich meine Meinung hier kundtun. Wenn ein Sturm über mich hereinbricht, kann ich nur sagen: Ich bin erwachsen, also halte ich das aus!

 

1. „Großveranstaltungen“ werden bis 31. August verboten. Die Schule IST normalerweise eine „Großveranstaltung“!

 

Denken wir nur an die Sanitäranlagen, die bekanntermaßen oft die am schlechtesten belüfteten und schmutzigsten Räume einer Schule sind. Denken wir aber auch an den Weg ZUR Schule und VON der Schule, von vielen Schüler*innen in öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt, unter platzmäßig sehr bedrängten Verhältnissen.

 

2. Die Aufrechterhaltung eines halbwegs geordneten Unterrichts muss oberstes Anliegen sein. Nur die Online-Variante allein ist sicher zu wenig und für Kinder der Volksschule wenig attraktiv, außerdem sozial ungerecht.

 

Das BMBWF hätte jedes Interesse gehabt, spätestens ab der 2. Corona-Shutdown-Woche einen ORF-Kanal als „Bildungs-TV“ zu gestalten, täglich von 8-12 für die VS, von 8-14 Uhr für NMS und AHS-Unterstufe. Lehrer*innen und Medien-Expert*innen im 2-Wochen-Rhythmus müssten Inhalte in Absprache mit erfahrenen Kolleg*innen vorbereiten, aufbereiten, erklären, nebenbei muss es einen Chat und eine Hotline geben – so ähnlich wie „Licht ins Dunkel“ (dieser Titel würde, wäre er nicht schon vergeben, eh für Bildung auch ganz gut passen!).

 

Ja, und ich streue hier Asche auf mein Haupt als Gewerkschaftsmitglied und klage mich selbst an: Warum machen wir als Gewerkschaft nicht einmal nur das, wofür wir bekannt sind, nämlich zu vielem „Nein!“ zu sagen, sondern engagieren uns für so was Sinnvolles oder ähnliches?

 

Fernsehen hat eine wesentlich größere Breitenwirkung als sämtliche Internet-basierten Fernlehrformen, gerade im beschriebenen Altersbereich der 6- bis 14-Jährigen. Und es ist barrierefreier! Im Senegal hat der Sänger Youssou N’Dour seinen TV-Sender für ein solches Bildungsfernsehen zur Verfügung gestellt. In Kenia geht’s sogar noch elementarer, da die Armut dort noch größer ist: Bildungs-Radio.

 

Aber zurück nach Österreich: Für Oberstufen-Schüler*innen aus AHS und BMHS sowie für Lehrlinge (Berufsschulen) müsste ein Online-Unterrichtsangebot eigentlich gut funktionieren – meine eigenen Erfahrungen an meiner BHS in OÖ sind durchwegs positiv, für meine Kinder, welche die AHS im selben Gebäude besuchen, ist – sowohl in der Unterstufe als auch in der Oberstufe – auch alles gut im Laufen.

 

3. Als genereller Gegner der Matura seit Beendigung meines 17. Lebensjahres (September 1984, also knapp zwei Jahre vor meiner eigenen Matura) enthalte ich mich weiterer Kommentare zur Aufrechterhaltung der Matura.

 

Nur so viel: Frankreich, ein Land mit viel längerer Erfahrung im „Zentralmaturieren“ als Österreich, allerdings auch ein Land, das derzeit von der Coronaviruskrise viel mehr betroffen ist als Österreich, hat schon zu Ende der zweiten Woche des Corona-Shutdowns die komplette Streichung der Matura verkündet.

 

4. Bildungseinrichtungen werden in Österreich offenbar oft als „Verwahr-Anstalten“ angesehen und missbraucht.

 

Gleiches gilt für Krabbelstuben und Kindergärten. Diese Regierung, aber auch die Vorgänger-Regierungen (ich würde sagen, spätestens seit 1990), haben dieses Problem zwar sicher erkannt, aber nie aktiv etwas dagegen getan. Bisher hat ja eh das System „Oma und/oder Opa passen eh auf die Gschroppm auf!“ ja auch funktioniert…

 

So, genug der Giftigkeit und Polemik, ich wende mich, nachdem ich den heutigen Sonntag (19.4.) schon wieder sechs (in Zahlen: 6) Stunden (echte Stunden, wohlgemerkt) am Bildschirm verbracht habe, der Fortsetzung der „Bildschirm-Party“ zu.

Nur so viel zum Abschluss: „Lustig“ oder „entspannend“ ist das Homelearning weder für die Schüler*innen noch für uns Lehrer*innen. Wir machen es, weil wir derzeit keine andere Wahl haben.

 

Quod dixi, dixi. Quod scripsi, scripsi.

Ambros Gruber, XIX – IV - MMXX

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Kommentare: 3
  • #1

    Thorsten (Freitag, 24 April 2020 10:47)

    Ambros du hast völlig recht und sprichst mir aus der Seele! Finde den Faßmannplan genauso undurchdacht, also an Kas.
    Liebe Grüße und dir alles Gute.
    PS: Super Foto � Rapper Ambrosio

  • #2

    Marion (Samstag, 25 April 2020 23:41)

    Danke! Alles Punkte zutreffend!

  • #3

    Eva (Sonntag, 26 April 2020 11:57)

    Unglaublich schade eine so einseitige Sichtweise als Lehrer zu haben. Bildung und Sozialkontakte sind wichtig und eben nicht einfach verzichtbar wie Großveranstaltungen, die dem Spaß dienen.

    Es stellt sich für viele wohl die Frage nach der Vereinbarkeit von Home Schooling und Beruf. Ich hoffe ja doch, dass in den Familien nicht jeweils ein Elternteil arbeitslos ist und dies somit managt. Es werden in hoffentlich - aus finanzieller Sicht und auch persönlicher Sicht - vielen Familien Beide noch einen Job haben und dann sind die Kinder ja entweder sowieso in Betreuung oder zu Hause sich selbst überlassen. Das finde ich für Volksschulkinder nicht gut.

    Ich denke da gibt es viel mehr zu berücksichtigen....