Lange, viel zu lange schon macht der vorherrschende Mythos vom „guten Nulldefizit“ jegliche vernünftige Budgetdiskussion und -politik unmöglich. Jede/r, die/der es wagt das unumstößliche Credo in
der westlichen Finanzpolitik in Frage zu stellen wird bestenfalls ignoriert oder belächelt, meist aber überheblich verhöhnt. Mythos eben.
Das könnte sich aber endlich bald ändern. Denn zwei führende Ökonomen, die sich nicht so einfach ignorieren lassen, fordern, das Thema Staatsverschuldung "entspannter" anzugehen.
Ex-US-Finanzminister Larry Summer und der ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds, Olivier Blanchard, demontieren in einem viel beachteten neuen Forschungspapier Mythos vom „guten
Nulldefizit“.
Laut Summer und Blanchard können Regierungen nach Belieben in neue Technologien, Schulen, Spitäler und Infrastruktur investieren, ohne dass der Schuldenturm je zu hoch wird. Weil sich die
Schulden von selbst reduzieren – vereinfacht und überspitzt zusammengefasst. Aber eindeutig ist, dass die neuen wirtschaftspolitischen Realitäten, wie Niedrigzinsen, Geldschwemme usw., den
aktuell die Budgetpolitik beherrschenden Sparwahn jegliche Rechtfertigung entziehen. Zumindest sprechen sie dafür, den Schuldenabbau langsamer als derzeit geplant anzugehen und stärker auf
schuldenfinanzierte Investitionen zu setzen, wie die András Szigetvari im derStandard vorsichtig konservativ formuliert.
Aktuell werden diese Thesen auf einer hochkarätig besetzten Konferenz des Peterson Institute for International Economics (PIIE), ein konservativ orientierter US-Thinktank, diskutiert.
Die Thesen stehen im krassen Gegensatz zur derzeitigen Finanzpolitik in Europa. Die deutsche Regierung senkt den Schuldenstand bereits. Auch in Österreich sinkt die Verschuldensquote durch das
höhere Wachstum.Hinzu kommen Einsparungen: Die Landesregierung in Oberösterreich hat soeben ein Sparbudget mit dem Ziel verkündet, 2018 ein ausgeglichenes Budget zu haben. ÖVP und FPÖ haben im
Wahlkampf angekündigt, die Staatsschulden aktiv senken zu wollen, schreibt dazu Szigetvari in seiner lesenswerten Analyse im Standard.
Bildungsinvestitionen wichtiger als Nulldefizit
Mehr Schulden machen um wichtige staatliche Investitionen zu ermöglichen, zum Beispiel in die Bildung, wäre also laut den beiden Ökonomen sinnvoll.
Das Argument lautet so: Bereits seit den 1980er-Jahren sinkt der Zins, also der Preis des Geldes, ab. Das hat viele Ursachen, eine dürfte sein, dass es zu viele Ersparnisse gibt und
Investoren damit immer weniger anzufangen wissen. Die Entwicklung ist so weit gegangen, dass sich Industriestaaten derzeit auf viele Jahre hinaus billig verschulden können. Die meisten Länder
finanzieren sich, indem sie mittels Anleihen Geld am Finanzmarkt aufnehmen. Für eine Anleihe mit einer Laufzeit von zehn Jahren muss Österreich derzeit gerade einmal 0,6 Prozent Zinsen pro Jahr
zahlen. Im Falle Deutschlands sind es 0,4 Prozent, im Falle Japans 0,059 Prozent. Berücksichtigt man die Inflation mit, verdienen die Regierungen in Wien und Berlin sogar Geld damit, dass sie
sich Geld ausborgen. Aber selbst bei Krediten, die 30 Jahren oder etwas länger laufen, liegen die Realzinsen für Österreich, Deutschland und Japan nur knapp über der Nulllinie. (derStandard).
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